Deine Selbstführung durch gesteuerte Atmung

Mehr Gelassenheit statt Stress und Hilflosigkeit ‒ was Selbstführung und Atmung für deine Balance in schwierigen Situationen, gerade auch im Job, beitragen kann und deine Entwicklung in Gang bringt.

Für deine Balance in schwierigen Situationen

Neues Wissen über die vergessene Kunst des Atmens: "Atem" ‒ ein Buch von James Nestor, dass mich mit auf die spannende ca. 10-jährige Reise des Autors genommen hat. Ich ertappte mich schon nach wenigen Seiten dabei, meinen eigenen Atem anders zu führen. Ich merkte, dass ich mich ausprobierte. Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Thema "Atmung" in Kombination mit meinem Thema "Selbstführung", möchte ich dich mit auf die Reise meiner Gedanken nehmen. Hole noch einmal tief Luft, bevor wir in die Geschichten eintauchen.

Mittels unseres Atems können wir uns selbst führen ‒ im gewissen Sinn. Egal, wie wir atmen, es macht etwas mit uns. Atmen wir langsam, werden wir in der Regel ruhiger und gelassener. Atmen wir schnell, sind wir in der Regel aktivierter und aktiver. Was tut dir selber gut?

Alle von uns haben sicherlich schon die eine oder andere Erfahrung gemacht, in der wir atemlos waren bzw. wir versucht haben, uns selbst über unseren Atem zu steuern. Atemlosigkeit assoziiere ich mit Hilflosigkeit und Scham und bewusste Atmung mit Handeln und Achtsamkeit. Reisen wir zurück in der Zeit, wo ich Teenagerin und Schülerin war. Eine der sehr prägenden Erfahrungen war auf dem Gymnasium und eine in der Fahrschule. Beide Erfahrungen unterscheiden sich im Kontext und veranschaulichen, welche Macht ein soziales Gefüge haben kann.

Szene 1: Atemlosigkeit und Hilflosigkeit

Eines Tages musste ich in der Schule zur "Strafe" laut vorlesen. Vermutlich hatte ich mit meiner Sitznachbarin geflüstert und störte damit den Unterricht. Ich fing also an, laut vorzulesen. Ich war innerlich aufgewühlt. Peinlichkeit und Ärger machten sich in mir breit und nahmen mehr und mehr Raum ein. Meine Atmung ist mir entglitten: Ich las so lange vor, bis ich komplett ausgeatmet hatte und kam dann ist straucheln. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie die letzten Worte geklungen haben oder? Ein lautes langes Einatmen folgte und ich hatte wieder Luft um weiterzulesen. Voller Emotionen ‒ mein Herz schien zu rasen ‒ las ich weiter. Wieder so lange, bis ich keine Luft mehr hatte. Erneut folgte eine laute und lange Einatmung. Das ging so weiter und ich war komplett k.o. bis mich die Lehrkraft ablöste und die nächste Person vorlesen durfte.

Ich war fix und fertig und vor allem war es mir unendlich unangenehm, dass ich nicht laut vorlesen konnte. In dieser Situation war es mir unmöglich mich selbst zu führen und damit meinen Atem so zu regulieren, wie ich ihn normalerweise beim Sprechen und Lesen unbewusst nutze. Seit dieser Erfahrung hatte ich immer, wenn reihum laut vorgelesen werden sollte, Panik, dass mir das Gleiche wieder passieren würde. Ich war komplett überfordert und beschämt, sodass ich mich nicht selbst führen, also auch nicht selbst regulieren, konnte. Ich war meinen Gedanken und Emotionen ausgeliefert und fühlte Scham und war hilflos.

Szene 2: Gesteuerte Atmung und Selbstbestimmtheit

Kurz vor der praktischen Prüfung in der Fahrschule wurde ich sehr nervös. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf: Von "Wieso haben meine Eltern nicht mit mir geübt?" bis hin zu "Wie peinlich, wenn ich durchfalle!". (Zum Glück hatte ich niemanden von der Prüfung erzählt und somit würde auch niemand von einem negativen Ergebnis erfahren. Allerdings ließ mich dieser Gedanke nicht wirklich ruhiger werden.) Ich musste unbedingt einen klaren Kopf bekommen, bis ich an der Reihe war. Ganz intuitiv ging ich zu einer der durchgezogenen Linien auf dem Übungsplatz vor der Fahrschule. Ich setzte einen Fuß vor den anderen und atmete ruhig und rhythmisch im Einklang mit meinen Schritten ‒ ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Mein Fokus auf die Linie, meine Schritte und meine Atmung ließ mich überraschend schnell ruhiger und entspannter werden. Ich war wie in Trance und hatte die Außenwelt gar nicht mehr so richtig mitbekommen. Als ich an der Reihe war, war ich schon noch ein wenig nervös, jedoch hat alles relativ wunderbar geklappt. Es war Freitagnachmittag und ich war die letzte Prüfungskandidatin. Nach wenigen Minuten, die mir wie eine halbe Ewigkeit erschienen, wurde mir von dem Prüfer gratuliert: Ich hatte die praktische Prüfung bestanden. (Und ganz nebenbei hatte ich das achtsame Gehen bzw. die Gehmeditation für mich erfunden.)

Es war die schlimmste Prüfung, die ich bislang in meinem Leben gemacht habe und ‒ glaubt mir ‒ ich habe wirklich schon viele Prüfungen absolviert! Was ist da passiert? ‒ Ich wollte die Prüfung bestehen und habe mich intuitiv selbst geführt (Achtsamkeit und Handeln).

Wie ich gelernt habe, mich selbst zu führen

Erfahrungsschatz: Heute ‒ mit diesen Erfahrungen ‒ würde ich mich entweder bei der Lehrkraft entschuldigen und bitten, dass vorerst jemand anderes vorliest, damit ich mich sammeln könne oder aber, ich würde mir Zeit nehmen, um gefasst ein- und auszuatmen und somit selbstgesteuert fokussiert und ruhig den Text aus einer ruhigen inneren Haltung heraus vorlesen können. Während meiner Reflexion über die prägenden Erfahrungen bezüglich meiner Atmung habe ich die Erkenntnis, dass ich die Selbstregulierung im Hinblick auf Leistung schon lange vor meinem 18. Lebensjahr erlernt hatte. Ich hatte also damals kurz vor der Prüfung eine Technik angewendet, die ich bereits viele Jahre lang trainiert hatte. Wie genial ist das denn?

Die Perfektion der Atmung

Atmung begleitet mich aktiv seit meiner Kindheit. "Klar!" ist sicherlich eure Reaktion: "Von wem denn nicht? Wir atmen doch alle!" ‒ Ich war Schwimmerin und wie es nun mal so ist, konnte ich (ebenso wie die anderen) nur über Wasser einatmen. Das Ausatmen funktioniert über und unter Wasser. Jedoch gibt es für die Perfektion eines Schwimmstils keine Zeit über Wasser ein- und ebenfalls auszuatmen ‒ mit Ausnahme vom Rückenschwimmen (wobei es beim Rückenschwimmen Unterwasserphasen beim Start und bei der Wende gibt). Das bedeutet, dass der Kopf lediglich für die Einatmung über Wasser gehoben wird. Der Atem wird rhythmisch mit der Geschwindigkeit gesteuert und je nach Schwimmstil angepasst. Es ist ebenfalls wichtig, dass der gesamte Atem unter Wasser ausgeatmet wird, um über Wasser keine Zeit mit der Ausatmung zu verlieren und eventuell zu wenig Zeit für einen ganzen Atemzug zu haben.

Wie ist es bei euch? Wann habt ihr angefangen, euren Atem aktiv wahrzunehmen und gegebenenfalls zu steuern?

Eine Atemübung, die du überall machen kannst

Gerne möchte ich mit dir eine Atemübung teilen, die mir 2020 bei einem Online-Workshop von Brian Colbert, Autor des Buches "The Happiness Habit", vermittelt wurde. Sie ist ganz einfach und dauert lediglich einige Minuten. Man kann sie sozusagen jederzeit und zwischendurch machen. Diese Atemübung kann dich unterstützen, dich zu zentrieren und zu fokussieren. Sie kann dich entspannen, weil du mit deiner Konzentration nur bei dir selbst bist ‒ bei deinem Atem und bei deinem Körper. Das hilft dir, die Außenwelt für einen Moment auszublenden und eventuelle Anspannungen zumindest für einen kurzen Augenblick loszulassen.

Setze dich gerade auf deinem Stuhl hin, sodass der Atem durch dich hindurch strömen kann. Wenn du möchtest, kannst du die Augen schließen. Vielleicht fällt es dir leichter, mit geschlossenen Augen den Raum auszublenden, in dem du gerade bist. Atme vier Sekunden lang ein und vier Sekunden aus. Nimm bei der Einatmung wahr, wie sich dein Brustraum weitet und du nach oben wächst. Bei der Ausatmung senkt sich dein Brustraum wieder und du wirst wieder etwas kleiner. Mache das Ganze dreimal und ändere dann deinen Rhythmus beim Ausatmen. Nun atme in vier Schritten aus und sei dabei gedanklich bei deinem Körper:

  1. Kopf: Atme kurz über deinen Kopf aus.
  2. Herz: Atme kurz über dein Herz aus.
  3. Bauch: Atme kurz über deinen Bauch aus.
  4. Füße: Atme über die Füße aus und gebe alles an den Boden ab.

Mir gefällt diese Übung sehr, weil sie an jedem Ort durchgeführt werden kann, keine Hilfsmittel benötigt werden und sie einen beruhigt und erdet. Vielleicht geht es dir ähnlich oder du findest deinen eigenen Weg dich zu fokussieren.

Faszinieren dich ebenfalls die Themen rund um dein Denken, Fühlen und Handeln und du möchtest durchstarten? Dann lade ich dazu ein, bei unserem Workshop dabeizusein.

Schau beim Workshop "Entfache das Feuer in dir" vorbei!



Mein erstes Lieblingszitat 2022

"Chillen macht uns menschlich." James Nestor

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